Aus dem einstigen Export-Weltmeistertitel wurde eine Dauer-Konjunkturflaute – die bundesweite wirtschaftliche Ebbe hat sich auch in Thüringen bemerkbar gemacht. Immer mehr Unternehmen halten dem nicht mehr stand und werfen das Handtuch. Die Schließung eines Werks im Ichtershausener Gewerbegebiet dürfte wohl das Symbolbild für die bevorstehende Stagnation einer wirtschaftlich überaus wichtigen Branche sein.
Thüringen24 hat mit Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer über die Zukunft dieser Branche im Freistaat gesprochen.
Thüringen: „Schön und gut, dass Tiefensee nach Japan reist“
Einst bot Thüringen viele Vorteile als Standort für sämtliche Unternehmen: Im Jahr 2019 hatte beispielsweise der japanische Autozulieferer „IHI“ sein deutsches Werk von Heidelberg nach Ichtershausen verlegt. Doch nun soll Schluss sein, berichtete der „MDR“ am Freitag (19. April). Nicht nur, dass in spätestens 15 Monaten rund 300 Arbeitsplätze flöten gehen werden – im Hinblick auf die Zukunft der Automobilbranche im Freistaat spricht diese Schließung ebenfalls Bände.
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Anlässlich dieses Ereignisses trat Wirtschaftsminister Tiefensee eine Reise nach Japan an. Möglicherweise um zu retten, was vielleicht noch zu retten ist. Doch der Branchen-Spezialist Ferdinand Dudenhöffer verspricht sich von der Reise nicht besonders viel: „Schön und gut, dass Tiefensee nach Japan reist. Ich denke aber, man muss das Grundproblem lösen“, erklärt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Und das liege laut des Experten nicht im Freistaat, sondern werde bundes- und europaweit langfristig zum Problem. Denn die Branche wird in Europa aktuell vom asiatischen Markt abgehängt. Die Gründe sind für Dudenhöffer dabei glasklar.
Thüringen als attraktiven Standort etablieren
„In Deutschland rennt man mittlerweile eher Trends hinterher, statt welche zu setzen“, so der Experte. Somit würde man sich langsam aber sicher vom Wettbewerb entfernen. Die Gründe seien aber laut Dudenhöffer noch vielschichtiger: „Die Strompreise sind einfach sehr hoch und das wurde auch in Ichtershausen zum Problem.“ Um es auf den Punkt (beziehungsweise drei Punkte) zu bringen: Das Lohnniveau in Deutschland sei vergleichsweise sehr hoch, die Bürokratie zu kompliziert und der Hochlauf der E-Mobilität wurde mit der Streichung der Umweltprämie quasi gekappt. Somit sei es wohl schlicht und ergreifend nicht mehr lukrativ für das japanische Unternehmen, den Standort in Thüringen beizubehalten.
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Laut des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft planen circa 52 Prozent der Automobil-Unternehmen in Thüringen, innerhalb von fünf Jahren in neue Geschäftsfelder einzusteigen. Damit möchten sie sich unabhängiger von den Entwicklungen der Brauche machen. Kaum eine Branche unterliege einem so starkem Wandel und Innovationsdruck wie die Automobil- und Zulieferbranche – die nebenbei zu den umsatzstärksten Wirtschaftszweigen des Freistaats gehört.
Nach Einschätzungen Dudenhöffers könne Thüringen es nicht alleine schaffen, die Automobilindustrie zu retten. Die Regierung müsse nicht nur daran arbeiten, Deutschland dauerhaft wettbewerbsfähiger zu machen. Seiner Ansicht nach sei das Ziel ebenso, Thüringen wieder als einen attraktiven Standort mit einem klaren Wettbewerbsvorteil zu etablieren – die Voraussetzungen dafür seien nach Einschätzungen des Experten durchaus da: „Thüringen hat sehr viele intelligente Leute und damit großes Potenzial. Aber die Aufgabe liegt darin, das Ganze auszubauen.“