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Erfurt: Syrer warnt nach Solingen-Anschlag vor Generalverdacht – „Dürfen wir nicht zulassen“

Das Attentat in Solingen hinterlässt tiefe Spuren – auch bei Geflüchteten. Wir haben mit einem Syrer gesprochen, der in Erfurt lebt.

Nach dem Anschlag in Solingen herrscht auch in Erfurt Fassungslosigkeit.
© IMAGO/NurPhoto

Zwischen Krieg und Hoffnung: Die weltweite Flüchtlingskrise

Über 100 Millionen Menschen sind Flüchtlinge. Krieg, Naturkatastrophen und Armut sind einige Gründe.

Das Attentat von Solingen hinterlässt auch Tage später noch Trauer und Entsetzen – auch bei Geflüchteten in Thüringen.

Wir haben mit Adam gesprochen – einem Flüchtlingsreferenten aus Erfurt, der aus Syrien nach Deutschland geflohen ist. Seine Geschichte und welches Gefühl das Attentat in ihm ausgelöst hat, liest du hier.

Erfurt statt Syrien

Adam hat sich nach eigener Aussage 2011 der Revolution in Syrien angeschlossen, die mit gewaltigem Widerstand niedergestoßen wurde. Im Jahr 2013 habe er sein Informatik-Studium in Syrien beendet und dann als Lehrer gearbeitet, sagt er zu Thüringen24. Doch schon kurz danach sei alles anders gekommen: Die Terroristen des Islamischen Staats (IS) hätten seine Heimatstadt besetzt. Adams Leben änderte sich von heute auf morgen. Er und seine Familie hätten schreckliche Angst gehabt, sagt er.

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Adam erinnert sich bis heute noch genau an die furchterregenden Szenen: Überall in der Stadt hätten zahlreiche Leichen gelegen – unschuldige Menschen, getötet von den IS-Schergen. „Auch den Geruch von Leichen, die seit drei Tagen auf dem Boden liegen, werde ich nie vergessen“, sagt er. Diese traumatischen Erinnerungen sind für ihn jetzt wieder präsent. „Der Messerangriff in Solingen erschüttert mich zutiefst und weckt traumatische Erinnerungen an die Gewalt, vor der viele von uns aus Ländern wie Syrien geflohen sind“, sagt Adam.

Erfurter mahnt und warnt

Damals in Syrien habe es für ihn nur zwei Möglichkeiten gegeben: Sich der Gewalt des IS anschließen oder aus Syrien fliehen. Er entschied sich für die Flucht, um Schutz in Europa zu finden. Er habe sich gewaltfrei für eine gerechtere Welt einsetzen wollen. Inzwischen lebt Adam schon seit neun Jahren in Erfurt. Mit seiner Familie. Hier engagiert er sich für die Rechte geflüchteter Menschen und setzt sich gegen Rassismus ein.


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Umso mehr besorgen ihn die Gegenwart und die Zukunft – insbesondere die seiner Familie in Erfurt. Er spüre eine Zunahme des Rassismus in der Gesellschaft und habe das Gefühl, dass mittlerweile auch die Mitte der Gesellschaft „das Fremde“ zunehmend ablehnt. Manche Medien und Politiker stellten Geflüchtete als eine Gefahr dar. Auch nach dem Attentat in Solingen. Es sei „inakzeptabel, dass Politiker aus verschiedenen Parteien jetzt populistische Parolen verbreiten und pauschal alle Geflüchteten unter Verdacht stellen. Forderungen, Menschen aus bestimmten Ländern das Asylrecht zu entziehen, sind menschenrechtswidrig und gefährlich“, sagt Adam. Der Täter aus Solingen müsse mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft werden, „ohne dabei alle Geflüchteten als Sündenböcke zu stigmatisieren. Unsere Gesellschaft darf nicht zulassen, dass Angst und Vorurteile missbraucht werden, um grundlegende Menschenrechte infrage zu stellen.“