Ein Rechenzentrum im Keller, ein T-Shirt-Drucker für alle und das alles in einer alten Bahnhofskneipe? Was klingt wie ein Roman, ist in Fürstenberg an der Havel in Brandenburg Realität. Der Verein havel:lab will mit seinen Projekten den sozialen Zusammenhalt und die Infrastruktur der Region unterstützen.
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Daniel Domscheit-Berg war Sprecher und Publizist bei der Enthüllungsplattform WikiLeaks und ist ehemaliges Mitglied der Piratenpartei. Heute ist er in einer ehemaligen Bahnhofskneipe in Fürstenberg zu finden. Als unsere Redaktion ihn trifft, ist er gerade im Gespräch mit einem der Kursleiter verwickelt, es geht um die Ausrüstung für die Volkshochschule.
Von Bahnhofskneipe zur digitalen Bildungszentrale
Diese gibt einige Kurse im Verstehbahnhof. Aber was ist das eigentlich, ein Verstehbahnhof? Daniel Domscheit-Berg erklärt: „Wir haben 2017 einen Verein gegründet, um Bildungsprojekte, die wir schon viel länger machen, in ordentliche Fahrwasser zu bringen. 2018 ist dann eine alte Bahnhofskneipe ausgezogen.“ Er deutet auf die Arbeitsplätze mit den laufenden Monitoren und den deckenhohen Regalen. „Das war mal der Gastraum. Wir haben das angemietet mit dem Verein und angefangen, nach und nach alle Räume nacheinander zu renovieren und auszubauen.“
Der gebürtige Hesse und seine Frau, die selbst aus Brandenburg kommt und im Moment für die Linkspartei im Bundestag sitzt, haben sich gezielt für das kleine Städtchen Fürstenberg entschieden. „Hier gibt es die Ruhe und die Möglichkeiten, Dinge zu bewegen.“ Es sei noch nicht alles so zu Ende optimiert wie in Westdeutschland, erklärt Domscheit-Berg. „Räume spielen auch eine ganz andere Rolle, die gibt es hier.“ Außerdem ist Fürstenberg genau eine Zugstunde vom Berliner Hauptbahnhof entfernt.
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Im ehemaligen Gastraum stehen Computer, ein Drucker für T-Shirts und eine Couchgarnitur. „Das hier ist, wo wir eigentlich herkommen, also aus der Technik-Bildung“, erklärt der Informatiker Domscheit-Berg. „Und auch alles, was mit Digitalisierung zu tun hat. Mit jungen Menschen, mit der Vermittlung von Kompetenzen für die Ausgestaltung einer lebenswerten digitalen Zukunft.“
Verstehbahnhof: Digitale Teilhabe sichern
Ziel ist es, die Teilhabe aller an der digitalen Gesellschaft zu sichern, erklärt Domscheit-Berg. Das geschehe durch Bildung, aber auch durch den Zugang zu digitalen Infrastrukturen. „Wir vermitteln den Leuten so Sachen wie Cloud-Speicher, E-Mail und so weiter. Darüber hinaus auch, wie man da unabhängiger von großen Konzernen wird.“
Dazu baut der Verein ein kleines eigenes Rechenzentrum und ein freies, kostenfreies WLAN für die Stadt Fürstenberg.“ Der Verstehbahnhof gehört zum eingetragenen Verein havel:lab und finanziert sich zu großen Teilen aus Spenden, bewirbt sich aber auch immer wieder um Fördertöpfe, die er temporär erhält.
Neben dem Ausbau der digitalen Infrastruktur spielt auch die Bildung eine Hauptrolle. Der Trägerverein ist aber auch in der Asylsuchenden-Hilfe aktiv und betreibt einen Umsonst-Laden in Fürstenberg. Bei alledem gehe es um analoge Räume, die allen zugänglich seien, um die Gemeinschaft zu stärken, so Domscheit-Berg.
Die Jugend und die AfD
„Wir haben hier im Verstehbahnhof eigentlich jeden Nachmittag in der Woche ein oder zwei Angebote.“ Das Bahnhofsgebäude mit Gaststätten und Warteraum, mit industrieller Küche und schalldichten Kellerräumen ist da ideal. „Es gibt Technik-Projekte, kreative Projekte wie die Nähwerkstatt, eine Druckwerkstatt und die Schreibwerkstatt.“ Der Verstehbahnhof ist aber nicht nur für Erwachsene und Jugendliche, sondern auch für die kleinsten Brandenburger.
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„Wir haben einen offenen Lernort, wo Kinder nach der Schule hingehen können und betreut an einem ordentlichen Schreibtisch ihre Hausaufgaben machen können. Das sind so ganz unterschiedliche Orte, die von der Gesellschaft hier genutzt werden können.“ Alle, die zu uns kommen, sind ja erst mal auch offen, so den Schritt zu uns zu gehen und sich mit uns auseinanderzusetzen.
„Wenn wir mit den Kids an Projekten arbeiten, ist das eine ganz andere Ebene, die man kriegt“, so Domscheit-Berg. „Dann gibt es aber noch den Bahnsteig.“ Dort kommen die Vereinsmitglieder mit Jugendlichen in Kontakt, die offene AfD-Fans sind. Wie das vonstattengeht, erfährst du hier: ++Brandenburg-Wahl: AfD-Welle rollt an – „Nie wieder heißt jetzt erst recht“++.