Die Freifunker: WLAN-Teiler und nette Netzwerk-Nerds
Darum geht’s:
Firewalls, Passwörter, Spamschutz: Um unseren Internetanschluss vor fremden Zugriffen abzuschirmen, unternehmen wir so einiges. Umso ungewöhnlicher ist es, wenn eine ganze Gruppe ihr WLAN bereitwillig teilt – kostenlos und ganz ohne eine Gegenleistung. Sie nennen sich Freifunker, in Thüringen gib es mittlerweile rund 400 von ihnen.
Der Bytespeicher liegt ein wenig versteckt in einem Erfurter Innenhof-Gebäude. Ein paar Schritte in den ersten Stock und der Besucher glaubt sich nicht in einem Vereinsheim, sondern in Doc Browns Wissenschaftler-Werkstatt aus „Zurück in die Zukunft“. Eine Rumpelkammer der Experimente: In einer Ecke arbeitet der 3D-Drucker, in der anderen laufen chinesische Nachrichten auf einem antiken Radio. In Türnähe steht ein Versuchsaufbau mit aufgespießter Bockwurst als elektrischer Leiter. In diesem sogenannten Hackerspace treffen sich gleichgesinnte Technik-Freaks, fachsimpeln bei Fast Food, werkeln gemeinsam und lernen voneinander.
Ein Steckenpferd dieser netten Nerds ist die Initiative Freifunk. Damit jeder kostenlos ins weltweite Netz kommt, machen sie aus ihren privaten Internetanschlüssen einen öffentlichen Hotspot. „Die meisten verstehen nicht, warum das jemand macht“, weiß der Bytespeicher-Vorsitzende und Erfurter Freifunker Stephan Jauch. „Dabei ist es doch nichts Schlimmes, jedem das Internet freizugeben. Für uns ist es das Normalste der Welt – eine Art Gastfreundlichkeit.“
Kostenloser Router für Flüchtlinge
Vor allem den Flüchtlingen wollen die Freifunker derzeit helfen. Gerne würden sie Router in den Unterkünften installieren und den Asylsuchenden, die hier keine Verträge abschließen dürfen, damit die Möglichkeit geben, kostenlos ins Netz zu kommen. Von vielen Trägern gibt es allerdings kein grünes Licht, die bürokratischen Mauern sind zu hoch.
Doch den Freifunkern geht es um mehr als kostenloses WLAN für alle mit vielen Hotspots, wie man es aus dem Auslandsurlaub kennt. „Es ist nicht nur ein technisches, sondern auch ein soziales Netzwerk“, erklärt Jauch. „Die Hauptaufgabe von Freifunk ist, eine lokale Infrastruktur anzubieten, die Kommunikation in Nachbarschaften oder in ganzen Stadtteilen ermöglicht.“ Und dies frei von irgendwelchen Strukturen wie einem Verein oder Sponsor. „Und unabhängig von kommerziellen Anbietern, die die Regeln für Internet und andere Kommunikationswege bestimmen.“
Sie wollen Kommunikationswege demokratisieren, erklären die Freifunker. Eine Alternative bieten zu möglicher Zensur, Profitdenken oder Überwachung. Die Freifunker sind gleichberechtigt. Es gibt keine zentrale Instanz, die alles abschalten, einschränken oder die Regeln ändern könnte. Die Community arbeitet zusammen, entwickelt Soft- und Hardware ständig weiter. „Bestandteil von Freifunk ist, dass man nicht nur etwas gibt und ein anderer konsumiert, sondern man kann viel dazulernen über Technik und die Möglichkeiten der Funktechnologie“, sagt Jauch.
Das Internet, aber auch lokale Anwendungen wie Dienste auf angeschlossenen Computern können freigegeben werden: Daten jeder Art wie Texte, Bilder, Musik oder Programme oder auch Hardware wie ein Drucker. Über ein vermaschtes Netz (Mesh) wird gechattet, telefoniert oder gemeinsam ein Onlinespiel gezockt.
„Es kommt auf die Kreativität der Teilnehmer an.“
Der eine zeigt auf seiner Webcam den schönen Ausblick vom Dach des Plattenbaus, andere tragen Daten ihrer Temperaturfühler für eine Wetterstation zusammen. Musiker vor Ort könnten ihre Konzerte live übertragen. Auf Jauchs Monitor huschen Flugzeuge über eine Landkarte. Er sammelt Flugsignale, die öffentlich gefunkt werden. „Eher ein spielerisches Experiment“, gesteht er ein. „Es kommt auf die Kreativität der Teilnehmer an. Gibt es keine Dienste, wird es langweilig, ein Netzwerk ohne Anwendungen.“ Menschen durch Freifunk zu verbinden, lokale Projekte vorzustellen, zu kommunizieren, sagt Jauch: „Das muss sich in Erfurt noch in den kommenden Jahren entwickeln.“
Hintergrund:
Die Freifunk-Idee: Wer unterwegs ins Netz gehen möchte, findet viele WLAN-Netze – allerdings mit einem Schloss davor, denn sie sind passwortgeschützt. Freifunker geben die ungenutzte Bandbreite ihres Internetanschlusses frei. Doch sie wollen nicht nur getrennte Internet-Einwahlwahlknoten (Hotspots), sondern wollen die Nutzer untereinander zu einem Bürgernetz verbinden. Deutschlandweit gibt es weit über 26.000 Zugänge in mehr als 250 Orten.
Wie funktioniert es? Benötigt wird ein kompatibler Router für rund 20 Euro, auf den die Freifunk-Software aufgespielt werden muss. Möglichst in Fensternähe aufgestellt, verbindet er sich automatisch mit anderen Freifunk-Router in Reichweite zum WLAN-Netz. Wie viel Bandbreite des eigenen Anschlusses zur Verfügung gestellt wird, entscheidet jeder selbst. Für größere Reichweiten mit Sichtkontakt kommen Outdoor-Router und Richtfunk-Antennen zum Einsatz.
Bleibt das eigene Netz geschützt? Ja. Freifunk-Gäste bekommen keinen Zugriff auf das eigene Netz, sondern werden direkt ins Internet weitergeleitet. Doch Vorsicht: Einige Internetanbieter schließen vertraglich aus, den eigenen Anschluss für eine Mitnutzung Dritter freizugeben.
Hafte ich für illegale Taten andere Nutzer? Auch Freifunknutzer müssen sich an Recht und Gesetz halten und dürfen beispielsweise niemanden beleidigen oder Musikdaten illegal anbieten. Wer eine Rechtsverletzung begeht, ist strafrechtlich auch als Täter verantwortlich. Wer ein freies Funknetzwerk anbietet, haftet also nicht auf Schadenersatz bei fremden Rechtsverletzungen. Auf einer etwaigen Abmahnung taucht außerdem nicht die IP-Adresse des WLAN-Gastgebers auf, sondern die des zentralen Freifunk-Zugangs. Der Gastgeber-Anschluss kann nicht zurückverfolgt werden. Hintergrund: „Virtuelle Private Networks“ (VPN) bauen einen verschlüsselten Tunnel auf, durch den der komplette Datenstrom fließt. Die Gäste müssen sich nicht einloggen und da sie über den VPN-Tunnel zum Freifunk-Gateway und weiter ins Internet geleitet werden, surfen sie anonym. Bei zivilrechtlichen Ansprüchen kommt allerdings die Störerhaftung ins Spiel: Der Verletzte kann Unterlassung einklagen, also verlangen, eine andauernde Rechtsverletzung zu beseitigen und zu erklären, dass sie sich nicht wiederholen wird.