Kann eine zweite Heirat nach einer Scheidung ein Kündigungsgrund sein? Ja, im Fall des Chefarztes eines katholischen Krankenhauses in Düsseldorf ist das passiert. Das Bundesarbeitgericht in Erfurt verhandelt am Donnerstag die Kündigungsschutzklage – bereits zum zweiten Mal.
Was ist die Besonderheit dieses Falls?
Der Mann ist seit dem Jahr 2000 als Chefarzt in einem katholischen Krankenhaus in Düsseldorf beschäftigt. Er ist damit Angestellter einer kirchlichen Einrichtung. Sein Dienstvertrag basiert auf einer vom Erzbistum Köln erlassenen Grundordnung, nach der von den Mitarbeitern die Anerkennung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erwartet wird.
Warum wurde ihm gekündigt?
Grund für die Kündigung des Mediziners ist eine Hochzeit – allerdings seine zweite. Nach der Scheidung von seiner ersten Frau fand er eine zweite Liebe und heiratete sie 2008 – standesamtlich. Nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche gilt eine Wiederheirat als ungültige Ehe. Das Verhalten des Arztes wertete der kirchliche Arbeitgeber als schwerwiegenden Loyalitätsverstoß. 2009 erhielt der Chefarzt deshalb die Kündigung – gegen die er seitdem rechtlich vorgeht.
Haben Kirchen als Arbeitgeber einen Sonderstatus?
Ja, den haben sie. Er resultiert aus dem vom Grundgesetz garantierten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht, der auch Auswirkungen auf ihre Rolle als Arbeitgeber hat. Das Bundesverfassungsgericht billigte den Kirchen 1985 das Recht zu, Arbeitsverhältnisse nach ihrem religiösen Selbstverständnis zu regeln.
Gibt es oft Entlassungen wegen Verstößen gegen religiöse Grundsätze?
Kündigungen wegen Verstoßes gegen Loyalitätspflichten seien nicht besonders häufig, sagt der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing. „Bei Wiederheirat erfolgt eine Kündigung in der Regel auch nur bei Angestellten in leitenden oder herausgehobenen Positionen.“ Anders sei es bei Kirchenaustritten – sie könnten für alle Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen ein Kündigungsgrund sein.
Gibt es sonst noch Besonderheiten?
Die Bezahlung Hunderttausender Kirchenmitarbeiter wird in der Regel nicht in Tarifverhandlungen festgelegt, sondern in Kommissionen. Arbeitskämpfe sind nicht erlaubt.
Es ist das zweite Mal, dass sich die Bundesarbeitsrichter mit der Chefarzt-Kündigung befassen. Warum?
Ihr Urteil von 2011, mit dem sie der Kündigungsschutzklage des Mediziners stattgaben, wurde vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben. Sie hatten bei der Abwägung der Rechte der Kirche und des Arbeitnehmers das Interesse des Arztes an Weiterbeschäftigung höher bewertet als den schwerwiegenden Loyalitätsverstoß. Ähnlich hatten auch die Vorinstanzen in Nordrhein-Westfalen entschieden. Der Arzt beruft sich bei seinem Anliegen wie die katholische Kirche auf die Verfassung, allerdings auf den besonderen Schutz von Ehe und Familie.
Wie wertete das Bundesverfassungsgericht den Fall?
Es hat den Sonderstatus der Kirchen gestärkt. Die Verfassungsrichter entschieden, dass die katholische Kirche Mitarbeitern auch weiterhin kündigen darf, wenn sie nach einer Scheidung ein zweites Mal heiraten. Und: Arbeitsgerichte dürften dieses «kirchliche Selbstverständnis» nur eingeschränkt überprüfen.
Welche Möglichkeit haben die Bundesarbeitsrichter jetzt noch?
Sie können der Kündigung doch noch stattgeben, bei ihrer Linie bleiben, oder einen anderen Weg gehen. Einige Arbeitsrechtler erwarten, dass sie den Fall weitergeben – zum Europäischen Gerichtshof. Ähnlich agierte das Bundesarbeitsgericht bereits im März 2016 in einem anderen Fall. Damals ging es darum, ob kirchliche Arbeitgeber die Konfession von Bewerbern als Kriterium bei Neueinstellungen festlegen dürfen.