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#Leben Romantisch oder überflüssig? Streit um Thüringer Waldfriedhöfe

#Leben Romantisch oder überflüssig? Streit um Thüringer Waldfriedhöfe

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Eine Blume erinnert an ein unbekanntes Grab. Foto: dpa

Viele möchten ihre letzte Ruhestätte unter einem Baum finden. Das Land will das nun per Gesetz regeln. Einige finden das überflüssig, andere sehen den Teufel im Gesetzesdetail.

Auf Thüringens erstem Waldfriedhof finden immer mehr Menschen ihre letzte Ruhe. Seit seiner Eröffnung im September 2014 habe es schon mehr als 100 Bestattungen geben, sagte der Chef der Verwaltungsgemeinschaft Wasungen – Amt Sand, Helmut Schilling (parteilos). „Nachfragen gab es sogar aus dem Eichsfeld, aus Gera und Jena.“ In dem Ruhewald in Wallbach (Landkreis Schmalkalden-Meiningen) seien sogar Urnen aus Bayern und Hessen beigesetzt worden. „Die allerwenigsten Bestattungen kamen aus Wallbach selbst“, erklärte Schilling. Künftig könnte es in Thüringen weitere Waldfriedhöfe geben. Über ein entsprechendes Gesetz berät derzeit der Landtag.

Die Bürgerinitiative Bestattungswälder in Thüringen sieht nach eigenen Angaben landesweit den Bedarf für drei bis fünf solcher Wälder, in denen Bestattungen möglich sind. Der Leiter der Initiative, Frieder Witte, verweist auf Umfragen, wonach fünf Prozent der Bevölkerung eine solche Form der letzten Ruhe wählen möchten. Mit dem von Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) nun vorgelegten Gesetzentwurf hat Witte dennoch Bauchschmerzen. Das Gesetz schreibt nach seinen Worten unter anderem vor, dass das Landesverwaltungsamt die Entscheidungen der Landkreise bei der Genehmigung solcher Wälder unter Umständen torpedieren kann.

Schwieriger Gesetzesweg für den eigenen Waldfriedhofsplatz

„Das öffnet der Willkür Tür und Tor“, beklagte Witte. So etwas gebe es in keinem anderen Bundesland. Nur im Baurecht hätten Behördenleiter mitunter solche Sonderrechte. „Dagegen wird zu 100 Prozent Klage eingereicht“, so Witte. Die Bürgerinitiative wurde 2012 gegründet und zählt nach eigenen Angaben mittlerweile mehr als 650 Mitglieder.

Zuständig für die Genehmigung von Waldfriedhöfen ist laut Ministerium der jeweilige Landkreis beziehungsweise bei kreisfreien Städten das Landesverwaltungsamt. Mit der Nutzung von Waldgebieten für Bestattungen müssen sich Forst- und Naturschutzbehörden vorher einverstanden erklären. In dem Entwurf steht unter dem Paragrafen, der die Zuständigkeiten regelt, sinngemäß: Kommt ein Kreis der schriftlichen Weisung des Landesverwaltungsamts nicht nach, so darf die Landesbehörde handeln.

Gemeinde muss Klage einreichen

Der Bürgermeister von Marksuhl (Wartburgkreis), Martin Trostmann (parteilos), hält das neue Gesetz ganz und gar für überflüssig. Waldfriedhöfe seien nach geltendem Bestattungsgesetz bereits erlaubt. Er verweist auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Weimar, das 2014 der Stadt Berka (Weimarer Land) erlaubt hatte, einen Bestattungswald einzurichten. Die Gemeinde Marksuhl selbst möchte einen Bestattungsort in einem Wald ausweisen, wurde dabei aber nach eigener Darstellung vom Kreis ausgebremst. „Wir haben geklagt“, erzählte Trostmann. Im Moment ruhe das Verfahren.

Gericht und Gemeinde wollen abwarten, ob mit dem neuen Gesetz der Thüringenforst Flächen für Waldfriedhöfe zur Verfügung stellen darf. In Marksuhl habe das staatliche Forstunternehmen der Gemeinde eine Fläche angeboten, begründete der Bürgermeister. „Wir haben zwar selbst Wald, der aber nicht über geeignete Zufahrten verfügt.“

Waldwirtschaft erhält finanziellen Ausgleich wegen Wegfall der Nutzungsfläche

Thüringenforst möchte gern mit geeigneten Wäldern aushelfen. „Wir haben entsprechende Flächen gesichtet“, erklärte ein Sprecher. Allein der Gesetzgeber habe das Vorhaben bislang „so nicht unterstützt“. Diese Gebiete sollen, sofern sie als Friedwälder genutzt werden dürfen, im Besitz des Unternehmens bleiben. Weil auf den Flächen keine Forstwirtschaft mehr betrieben werden kann, müsse dann ein „finanzieller Ausgleich“ gezahlt werden, sagte der Sprecher.

Die Stadt Bad Berka hofft, dass noch in diesem Jahr der Waldfriedhof nach juristischem Tauziehen eröffnet werden kann. „Die Genehmigung haben wir“, sagte Bürgermeister Volker Schaedel (Freie Wähler). Derzeit liefen noch Gespräche mit den Beteiligten.

Laut dem Gesetzentwurf von Poppenhäger sind im Wald ausschließlich Urnenbeisetzungen erlaubt. Auch seien keine Gebäude, Grabmale oder Grabumfassungen zugelassen. Das Katholische Büro in Erfurt stört sich vor allem daran, dass die Waldfriedhöfe nicht eingefriedet sein müssen. Büroleiter Winfried Weinrich befürchtet, dass ohne Abzäunung die Totenwürde nicht ausreichend geachtet werden und die Totenruhe nicht geschützt sein könnte. Zudem müsse der „Tendenz einer Anonymisierung nicht weiter Vorschub geleistet werden“.