Im Thüringer Schweinezucht-Skandal tobt ein Kampf um die Deutungshoheit: Tierschützer, Politik, Staatsanwaltschaft und erstmals auch das beschuldigte Gut Thiemendorf nehmen gegenüber Thüringen24 ausführlich Stellung. Fest steht: Sollte es in Heideland bei Eisenberg tatsächlich Verstöße gegen den Tierschutz geben, wird sich so schnell nichts daran ändern. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Gera zieht sich aufgrund hohen Aufwands in die Länge. Die Politik ist in der Sommerpause und Gut Thiemendorf weist über eine Berliner Anwaltskanzlei alle Vorwürfe zurück.
Am Dienstag hatten wir mit Material der Tierschützer von „Animal Rights Watch“ von November 2015 erstmals über die Vorwürfe gegen die Schweinzucht Gut Thiemendorf berichtet. Sprecherin Sandra Franz teilte mit: „Unsere Aktivisten haben konkrete Verstöße gegen die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung festgestellt.“ Im Kern geht es um zu schmale Kastenstände für Sauen und den Tod kranker Ferkel. Aufnahmen der Tierschützer von „Animal Rights Watch“ aus dem November 2015 sollen unter anderem zeigen, dass die Sauen fast bewegungsunfähig fixiert und kranke Ferkel in fliegenverseuchten Hallen einem langsamen, qualvollen Tod überlassen sind. Das Gut Thiemendorf weist alle Vorwürfe zurück.
Video von Animal Rights Watch zu Gut Thiemendorf:
Staatsanwaltschaft wartet auf Ergebnis des Gutachters
„Die Aufnahmen von Animals Rights Watch von November 2015 sind in die Ermittlungen eingeflossen“, teilt Martin Zschächner, Sprecher der Staatsanwaltschaft Gera auf TH24-Anfrage mit. „Bereits im März 2015 haben wir vor Ort umfangreiche Beweissicherungsmaßnahmen durchgeführt. Das gesamte Material wird nun von einem Gutachter bewertet.“ Zu klären ist unter anderem der Tatbestand, also ob und in welchem Maße Verstöße vorliegen. „Das ist ein großes Verfahren, der Aufwand ist erheblich“, sagt Zschächner zu den Vorwürfen, dass sich die Ermittlungen in die Länge ziehen. Wann die Arbeit des Gutachters abgeschlossen ist, kann er nicht sagen. Erst dann wird über weitere Schritte entschieden.
Bildergalerie: Tierschützer dokumentieren Zustände im Gut Thiemendorf im November 2015
Grünen-Landessprecher Rainer Wernicke verlangt unterdessen den Entzug der Betriebserlaubnis für Gut Thiemendorf. „Die jüngsten Bilder sind unerträglich. Offenbar gibt es immer wieder Verstöße“, sagt Wernicke gegenüber TH24. Bereits vor drei Jahren hatten Tierschützer Missstände in Gut Thiemendorf angeprangert. Auch Grünen-Politikerin Babett Pfefferlein hatte am Mittwoch deshalb Konsequenzen und eine Verstärkung der Ermittlungen gefordert.
„Wir dürfen nicht wegschauen. Wir wollen durch klare Regelungen der Massentierhaltung einen Riegel vorschieben“, appelliert Grünen-Sprecher Wernicke, macht aber auch deutlich: „Das geht nicht von heute auf morgen. Das ist ein Weg der Verhandlung.“ Im Rahmen der Regierungsbeteiligung will Wernicke auf die Umsetzung der grünen Tierwohlstrategie drängen. Die Experten sind allerdings zurzeit im Urlaub.
Anwalt: Vorwürfe sind unwahr, absurd und unseriös
Erstmals hat sich auch die Gut Thiemendorf GmbH zu den Vorwürfen geäußert. Über die Berliner Anwaltskanzlei „Brunnenberg und Bertram“ wies der Schweinezuchtbetrieb alle Vorwürfe zurück. „Wir warnen nachdrücklich vor der ungeprüften Übernahme der Inhalte der Berichterstattung und der Pressemitteilung. Diese enthalten Unwahrheiten, verzerrende Darstellungen und willkürliche Spekulationen sowie erhebliche Verstöße gegen die journalistischen Sorgfaltspflichten.“ In einzelnen Stellungnahmen bezeichnet Rechtsanwalt Dr. Konstantin Bertram die Vorwürfe als „unwahr“, „absurde Feststellung“ oder „unseriös“ und verweist auf regelmäßige Kontrollen des Veterinäramtes. Ein konkrete Erklärung für die in Bild und Video festgehaltenen Mängel hat aber auch er nicht.
Bertram schreibt weiterhin: „Hinsichtlich der in den Berichten angesprochenen Beschaffenheit der Kastenstände gibt es bundesweit oder in Thüringen keine exakten durch Gesetz oder Rechtsverordnung vorgegebenen Maße.“ Zumindest diese Aussage ist nicht ganz korrekt. Das Thüringer Sozialministerium hatte bereits Mitte der Woche mitgeteilt: „Als Mindestmaße gelten bundesweit Kastenstandweiten von 65 cm für kleinere Sauen und Jungsauen sowie 70 cm für ältere Sauen. Diese Maße sind Richtmaße. Im Einzelfall muss der Kastenstand der Größe der Sauen entsprechen.“