Vor fast 500 Jahren übersetzte Martin Luther auf der Wartburg das Neue Testament ins Deutsche. In nur zehn Wochen schuf er ein Werk von ungeheurer Sprengkraft, das seit Jahrhunderten Bestand hat.
Zum Empfang des royalen Besuchs ist das Wetter alles andere königlich. Nebel umhüllt die Wartburg bei Eisenach, als das niederländische Königspaar Willem-Alexander und Máxima auf dem steilen Berg aus dem Auto steigt. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt trägt die Königin einen türkisfarbenen Wollmantel und einen orangefarbenen Hosenanzug. Zum Auftakt des mehrtägigen Besuches in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt steht am Dienstag die Bibelübersetzung Martin Luthers (1483-1546) im Fokus.
1521/22 hatte dort der mit Kirchenbann und Reichsacht belegte Reformator in wenigen Wochen das Neue Testament aus dem Griechischen und Lateinischen ins Deutsche übersetzt und damit ein Werk von ungeheurer Sprengkraft geschaffen. Er hatte das Wort Gottes dem gemeinen Mann zugänglich gemacht – und damit ungewollt zur Spaltung der Kirche beigetragen. Zugleich legte er eine Grundlage für eine einheitliche deutsche Schriftsprache.
Bilder von dem Besuch der Wartburg und der Landung in Erfurt:
Die karg eingerichtete Stube, in der Luther als Junker Jörg inkognito lebte, ist der Höhepunkt des Rundgangs von Willem-Alexander und Máxima durch die 950 Jahre alte Veste. Das Luther-Stübchen in der Vogtei wurde zum Jubiläum „500 Reformation“ sorgfältig restauriert. So wurden spätere Namenseinritzungen von Besuchern in die Bohlenwände entfernt.
Dem Tintenfleck auf der Spur
Den mystischen Tintenfleck an der Wand suchen Besucher bereits seit langem vergeblich. Auch Willem-Alexander und Máxima hätten ihn nicht finden können: Die Legende, dass Luther mit einem Tintenfass nach dem Satan geworfen haben soll, entstand erst rund 150 Jahre danach – als ein Teil der Luther-Verehrung.
Ein halbes Jahrtausend nach Beginn der Reformation ist die Wartburg eine der wichtigen Pilgerstätten für Protestanten weltweit. Als einzige deutsche Burg trägt sie seit 1858 ein vergoldetes Kreuz auf ihrem Hauptturm – weithin sichtbares Symbol für die religiöse Bedeutung der Veste. Im hohen Mittelalter hatte sich dort auch die Landgräfin und später heilig gesprochene Elisabeth (1207-1231) vom höfischen Leben abgewandt und in völliger Entsagung gelebt, um Armen und Kranken zu helfen.
Die Wartburg, ein „öder Kasten“
Willem-Alexander und Máxima folgen bei ihrem Gang durch den Burghof und dem Hauptgebäude Palas mit seinen einzigartigen romanischen Säulen auch verwandtschaftlichen Spuren. Der Weimarer Großherzog Carl Alexander – verheiratet mit der niederländischen Königstochter Sophie – ließ das halb zerfallene und in Vergessenheit geratene Gemäuer wieder aufbauen. Goethe hatte wenige Jahrzehnte zuvor die Wartburg noch als nüchternen und öden Kasten bezeichnet.
Carl Alexander ließ sich bei den Umbauten von den romantischen Ideen des 19. Jahrhunderts über eine ideale mittelalterliche Burg leiten. Eine Vorstellung davon bekommen die königlichen Gäste im Sängersaal mit Fresken Moritz von Schwinds, in der Elisabeth-Kemenate mit Hunderttausenden von Glasmosaiken und im Festsaal mit seiner hervorragenden Akustik.
Seit 1999 gehört die Wartburg zum Unesco-Weltkulturerbe. Sie zieht jährlich etwa 350 000 Besucher an. Am 4. Mai öffnet dort eine der drei zentralen Ausstellungen zum Reformationsjubiläum. Ihr Titel: „Luther und die Deutschen.“