Thüringen fast Schlusslicht bei der Elektrifizierung: Verkehrsministerin macht Druck auf Berlin
Nur jeder dritte Schienenkilometer in Thüringen mit Oberleitung ausgestattet
Thüringer Verkehrsministerium macht Druck auf Berlin
Forderung nach „Sonderprogramm Elektrifizierung“ im „Jamaika“-Koalitionsvertrag
Aus vielen Bundesländern und über alle Parteigrenzen hinweg wächst der politische Druck und das Drängen auf ein Elektrifizierungsprogramm des Bundes für wichtige Lückenschlüsse im deutschen Netz. Das ergab eine Umfrage der Allianz pro Schiene, die der Interessenverband am Mittwoch veröffentlichte. Auch die Thüringer Verkehrsministerin Birgit Keller (Die Linke) macht sich für mehr Oberleitungen auf den Schienen im Freistaat stark.
Nur 30 Prozent des Schienennetzes in Thüringen elektrifiziert
Thüringen hinkt mit aktuell 30 Prozent Elektrifizierungsquote deutlich hinter dem doppelt so hohen Bundesschnitt hinterher. Der Freistaat belegt den traurigen 15. Platz in der Statistik. Nur Schleswig-Holstein kann mit 29 Prozent noch weniger anteilige Oberleitungskilometer vorweisen.
Regionalverkehr könnte durch Einsatz von E-Loks und Zügen stark profitieren
„Auf der Schiene ist die Elektromobilität mit Abstand am weitesten. Aber gerade in Thüringen müssen viele Regionalbahnen noch mit Diesel fahren, weil eine Oberleitung fehlt. Der Nachholbedarf für unser Land ist also unstrittig, während die Vorteile elektrischer Bahnen für saubere Luft und weniger Lärm auf der Hand liegen“, sagte Thüringens Verkehrsministerin Keller gegenüber Allianz pro Schiene. Die Ministerin forderte vom Bund mehr Engagement bei der Elektrifizierung. „Wir brauchen eine bundesweite „Pro-Schiene-Initiative“, so Keller. Bei einem Sonderprogramm Elektrifizierung wäre Thüringen mit wichtigen Strecken dabei.“ Als Beispielstrecken nannte sie unter anderem den Lückenschluss Gotha – Leinefelde sowie die Strecke Leipzig – Gera – Hof.
Frühestens 2022 Bauarbeiten zwischen Weimar, Gera und Gößnitz
Auch der momentan bereits in Planung befindliche Lückenschluss Weimar – Gera – Gößnitz wurde von der Ministerin genannt. Erst vor wenigen Monaten hatte der Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) grünes Licht für den Ausbau der Mitte-Deutschland-Verbindung gegeben. Doch die Umsetzung des Vorhabens könnte noch Jahre in Anspruch nehmen. Eine dreistellige Millionensumme werde vom Bundesministerium bis 2030 für das Projekt bereit gehalten. Laut MDR-Informationen könnte die Vorplanung für die Elektrifizierungsarbeiten erst Ende 2021 abgeschlossen sein.
Deutschland ohne EU-Führungsrolle bei der Elektrifizierung
Auf Anfrage der Allianz pro Schiene hatten sich Verkehrsminister aus insgesamt sieben Bundesländern dafür ausgesprochen, mehr Strecken mit Oberleitungen auszustatten und die Elektrifizierungsquote des Bundesschienennetzes von derzeit 60 Prozent auf mindestens 70 Prozent zu steigern. Eine aktuelle Aufstellung der Allianz pro Schiene zum Elektrifizierungsgrad des deutschen Netzes belegt, dass Deutschland im EU-Vergleich und auf Bundesländerebene großen Nachholbedarf hat.
Elektrifizierungslücken im Bundesschienennetz sind längst identifiziert
„Die Länder haben die Elektrifizierungslücken im Bundesschienennetz längst identifiziert“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege am Mittwoch: „Deshalb fordern wir für den Koalitionsvertrag ein ‚Sonderprogramm Elektrifizierung‘, mit dem zentrale Oberleitungslücken des Netzes rasch geschlossen werden. Damit steuern wir eine Elektrifizierung von 70 Prozent bis 2025 an.“